Im Winter auf die Lofoten – 1

Prolog

In den letzten Monaten hatten sich einige Überstunden auf meinem Zeitkonto gesammelt. Also war es wieder Zeit, mir einen kleinen Sonderurlaub zu gönnen. Schon lange schwirren mir Bilder von Norwegen im Winter durch den Kopf. Unseren VW California Beach habe ich vorausschauend dafür extra mit einer Luftstandheizung konfiguriert. Damit müsste ich auch im Winter im Bus schlafen können und außerdem sind die Winterreifen noch nahezu neu.
Tagelanges Studium von Wetter-Webcams, Reiseberichten und Landkarten bereiten eigentlich wenig Vorfreude, denn in vielen Regionen die ich in die engere Wahl ziehen wollte, fehlt der Schnee. Hmm, was jetzt? 3000 Kilometer über winterliche Straßen in den hohen Norden sind auch kein Zuckerschlecken. Aber da gibt es ja eine Alternative! Die Reichsstraße Nummer 1 mit den Postschiffen der Hurtigruten ist für viele Norweger eine Institution und wird täglich von Bergen nach Kirkenes befahren. Und auf die meisten der Schiffe passt unser Bus drauf. Jetzt heißt es wieder Fahrpläne wälzen und bei den Onlineportalen der Fährgesellschaften jede Menge Probebuchungen durchführen. Am Ende habe ich eine ganz interessante Variante für meine Winterreise nach Norwegen gefunden.
Mein Plan sieht vor, von Kiel mit der Fähre der Stenaline nach Göteborg zu fahren. Dann geht es auf der Straße über Oslo nach Trondheim. Hier wartet hoffentlich die M/S Finnmarken, um mich in 35 Stunden samt Bus bis nach Svolvaer auf die Lofoten zu bringen. Nach sechs Tagen auf den Lofoten geht es mit der M/S Polarlys wieder zurück nach Trondheim. Von dort mit dem Auto nach Oslo und als letzte Schiffspassage über Nacht rüber nach Frederikshavn. Zusammen also 12 Tage, mit fünf Übernachtungen auf vier Schiffen.

Zugegeben, bei der finalen Buchung kreiste mein Finger mindestens 10 Minuten über dem Button „Zahlung abschließen“. Aber ich habe ihn gedrückt.
Weil ich auf der norwegischen Seite von Hurtigruten buche, wird die Passage sogar 25 % günstiger.

Die Überschrift meines Reiseberichts lautet also:

Vier Schiffe und ein Bus

Prolog-2

Das fängt ja gut an. Zwei Tage vor meiner Abreise entdecke ich auf der Seite von Hurtigruten den folgenden Hinweis: M/S Polarlys will be delayed from yard stay and must cancel the whole sailing Bergen – Kirkenes – Bergen 24.02.-06.03.2016.
Na prima, bevor meine Reise begonnen hat, wird die Heimfahrt gecancelt. Montag morgen um 6 Uhr schicke ich zwei Mails an Hurtigruten in Tromsø und bitte um alternative Reisevorschläge für meine Rückreise. naheliegend wäre, das Schiff einen Tag später zu nehmen, aber auf das Autodeck der M/S Vesteralen passt der Bus mit seinem 199 cm hohen Dach nicht drauf. Kurz vor 10 Uhr meldet sich Karin vom Hurtigruten Customer Care per Mail. Sie hat vier Alternativen für mich und bittet um eine schnelle Rückmeldung, da die Verfügbarkeit der Plätze sehr begrenzt ist. Eine halbe Stunde später habe ich die neue Buchungsbestätigung auf meinem Smartphone. Jetzt geht es mit der M/S Finnmarken einen Tag früher zurück nach Trondheim.

Tag 1

Auf nach Kiel

Vor 16 Tagen habe ich die ersten Tickets gebucht und jetzt geht es wirklich los. Mein schwierigster Part, Mittags Feierabend machen, ist geschafft und ich kann direkt auf die Autobahn Richtung Norden. Der Tempomat ist eingestellt und vier Stunden später höre ich beim Tanken das Kreischen der Kieler Möwen. Mein Versuch noch eine Snack mit aufs Schiff zu nehmen muss ich Aufgeben, denn ich verfahre mich total und bin froh, wieder rechtzeitig am Schwedenkai zu sein. Das Einchecken geht bei Stena Line flott. Bis 30 Minuten vor Abfahrt kann man mit dem Auto einchecken, dass heißt es geht direkt aufs Autodeck. Die Kabine ist mit einem Doppelbett ausgestattet, das ich in voller Breite benutzen darf 🙂

 

Auf die abendlichen Buffets auf Schiffen verzichte ich mittlerweile. Meist habe ich mehr gegessen, als ich ursprünglich vor hatte. Auch deshalb verbringe ich die Ausfahrt auf dem Außendeck und schaue mir Kiel bei Nacht an. Ok, die Küchenabluft wird Appetitanregend über das offene Deck herausgeblasen. Das ist sicher nur Zufall, aber mir knurrt jetzt der Magen. Trotzdem, bei mir gibts nur ein paar Kekse 🙂

In der Nacht wache ich alle 2 Stunden auf, denn das Schiff schaukelt und die Wellen klatschen deutlich hörbar an den Bug. Morgens um vier wache ich schließlich mit Kopfschmerzen auf.

Tag 2

Von Göteborg nach Norwegen

Pünktlich um 7 Uhr stehe ich mit einigen Anderen am Frühstücksbuffet, schließlich bekommt der frühe Vogel nicht den Wurm sondern einen schönen Fensterplatz. Beim Frühstück geht auf der rechten Seite die Sonne auf und links der Mond unter. Schade dass ich noch nicht an Deck bin. Bei der Einfahrt in die Schären vor Göteborg gibt es mit der tief stehenden Sonne schöne Lichtspiele, die durch aufsteigenden Wasserdampf verstärkt werden. Das verlassen der Fähre geht bei Stena Line recht flott, allerdings fühle ich mich bei der Einreise nach Schweden gut 25 Jahre jünger. Damals waren Grenzkontrollen in Europa noch üblich. Jetzt in 2016 dauert meine Einreise nach Schweden ganze 20 Minuten. Als ich endlich an der Reihe bin, werden ich zum letzten von fünf Kontrolleuren durchgewunken. Der fragt freundlich nach meinen Personalausweis, um ihn anschließend über eine Minute lang anzusehen. Ich habe mich gefragt was er so lange prüft, zumal sein Blick nicht einmal zu mir gewechselt hat. Als er den Blick zu mir hob, bekam ich den Ausweis zurück mit guten Wünschen zur weiteren Reise.

 

Meine Fahrt nach Norden führt über die E 4 Richtung Oslo und verläuft ähnlich entspannt wie schon die Anreise nach Kiel. Tempomat eingestellt und erst vor der Svinesund Brücke wieder ausgeschaltet. Vor der Einreise nach Norwegen werden 20 NOK an Maut fällig. Dafür pappt ein Transponder an der Innenscheibe vom Bus, der sich bei jeder Durchfahrt der automatischen Mautstellen zu erkennen gibt. Abgebucht wird dann vom Kreditkartenkonto. Nach der Maut kommt der Zoll, oder mein spezielles Einreise-Prozedere. In gefühlten 80% meiner Grenzübertritte werde ich rausgewunken. So auch diesmal. 10 Autos vor mir dürfen unkontrolliert die Grenze passieren,- ich muss den Personalausweis abgeben und raus aus der Schlange. Auch hinter mir dürfen alle weiter fahren. Bis zum Ende meiner Kontrolle wird auch kein anderer angehalten. Ich stelle den Bus neben dem anderen Fahrzeug mit den arabischen Insassen ab. Diese halten Papiere in der Hand und schauen sich fragend um. Die freundliche Grenzbeamtin möchte den Grund meiner Reise wissen, wo ich hin will, wo ich übernachten werde und eine Telefonnummer meiner ersten Unterkunft. Außerdem will sie den Innenraum und Kofferraum sehen. OK, ich passe offenbar nicht ins Raster, denn ich schlafe in meinem Auto und komme nicht zum Fischen nach Norwegen, hinzu kommt meine falsche Aussprache von Tronjem. Übernachten im Auto, die freundliche Dame fand das ein bisschen verrückt. Als wir nach fast 10 Minuten unser „Gespräch“ beenden, darf ich nach Norwegen einreisen. Die Insassen des anderen Autos warten immer noch.
An der Touristenformation Halden, direkt neben der Autobahn, hole ich am Automaten noch etwas Bargeld und kaufe als Souvenier eine Weihnachtskugel. Auf der E6 geht es wieder Richtung Oslo. Im Internet hatte ich bereits gelesen, das die Osloer Tunnel in den nächsten Jahren saniert werden. An der Autobahn wird schon sehr früh auf eine mögliche Umleitung über die E18 hingewiesen. Die Verzögerung durch die einspurige Verkehrsführung hält sich zur Mittagszeit jedoch in Grenzen. Anders die Mautstellen, die werden jetzt zahlreich durchfahren. Gefühlt sind die Preise höher als im letzten Jahr, mal 20 NOK, dann 32 NOK, danach wieder 20 NOK. So geht das auf der E6 noch eine Weile weiter so. Für mich fällt die Rechnung nicht ganz so hoch aus, denn am Kolomoen Abzweig verlassen ich die E6 und fahre auf der Straße 3 weiter nach Elverum und dann Richtung Norden. Die Straße ist gut ausgebaut und ich entgehe möglicherweise dem Kolonnenverkehr über das Dovrefjell. Womit ich nicht gerechnet habe sind die Vorbereitungen für die NATO Übung Cold Response. Diese machen sich in Form von langsam fahrenden Militärkolonnen bemerkbar. Einige wenige Autofahrer wagen Überholversuche, die sie aber abbrechen und ihre Fahrt nun zwischen zwei Panzern fortsetzen. ZWISCHEN zwei Panzern?, – da fahr ich lieber hinterher. Nach 20 Kilometern verlässt der Militärkonvoi die Straße in Richtung Bahnverladung und der zivile Verkehr kann seine Fahrt wieder ungehindert fortsetzen. Die erste Pause mache ich am späten Nachmittag im Østerdalen, aber auch nur, weil ein riesiger silbern glänzender Elch am Straßenrand steht. Dieser ist im Oktober 2015 mit einer Höhe von 10,3 Metern als Welt größter Elch aufgestellt worden, – hergestellt in China. Auf jeden Fall ist er ein toller Blickfang für den Rastplatz.

Eigentlich wollte ich erst auf der E6 übernachten aber der stärker werdende Schneefall hält mich davon ab. Die Standheizung läuft die Nacht auf Stufe 1 durch und heizt gut. So bemerke ich gar nicht dass sich der zuvor leere Parkplatz mit LKW füllt.

Tag 3

In Trondheim an Bord

Zur Sicherheit habe ich mir den Wecker gestellt. Erfahrungsgemäß dauert es am ersten Morgen im Auto immer etwas länger, bis alles wieder seinen Platz findet. Zudem spielt überraschend mein Gaskocher nicht mit. Die Kartuschen aus dem Baumarkt lassen sich zwar einsetzen, aber das Gas strömt nicht aus, obwohl die Temperatur deutlich über Null Grad ist. Den Parkplatz bedeckt jetzt eine 20 Zentimeter Schneedecke, außerdem steht er voll mit Lastwagen. Die haben freundlicherweise für mich eine Lücke gelassen, sodaß ich lange vor Sonnenaufgang wieder auf die Straße kann. In Nordhessen hatten wir n diesem Jahr nur wenige Tage mit richtig Schnee, deshalb bin ich zunächst sehr erfreut, angesichts der weißen Landschaft. Allerdings ist das Fahren auf der geschlossenen Schneedecke recht anspruchsvoll, zumal sich stellenweise Eis unter dem Schnee befindet. Auf der Fahrt begegnen mir auch die ersten Schneepflüge, bis Trondheim sind die Straßen geräumt. Hier treffe ich gegen 8:30 Uhr ein uns stehe erleichtert fest, dass die M/S Finnmarken am Kai festgemacht hat. Jetzt noch schnell tanken. Leider nimmt die Shell Tankstelle am Hafen meine Kreditkarte nicht, also im Schneetreiben zurück in die Stadt. In der Kjøpmannsgata, das ist bei den Holzhäusern am Nidelva, soll eine sein.
Nachdem der Energievorrat aufgefüllt ist mache ich mich endlich auf zur Finnmarken. Nach ein paar Fotos vom Schiff mit Bus melde ich mich auf der Schiffsrezeption. Dort muss ich lediglich meinen Ausweis vorlegen, alles andere steht bereits im Buchungssystem. Ich bekomme zwei Bordkarten ausgehändigt, eine für mich, die zweite für den Bus. Meine Aussenkabine auf Deck 5 wird im Moment noch gereinigt, aber ab 12 Uhr kann ich sie nutzen, – vielleicht auch früher.
Vom Ladepersonal kommt über Funk die Info, dass die Fahrzeuge gegen 11 Uhr verladen werden, bis dahin kann ich in der Lobby platz nehmen und warten. Na ja, bis jetzt hat ja alles gut geklappt.

Als mit der Fahrzeugverladung begonnen werden soll, fahre ich gleich erwartungsvoll Richtung Laderampe, werde unterwegs jedoch von einer netten Mitarbeiterin gestoppt. Dazu muss man wissen, dass das Autodeck auf den Postschiffen nicht direkt befahren werden kann. Im Gegensatz zu Fährschiffen legen die Postschiffe seitwärts an einer Kaimauer an. Wegen den Gezeitenabhängigen unterschiedlichen Höhen der Kaimauern ist auch die Laderampe der Schiffe in der Höhe verstellbar. Unmittelbar hinter der Laderampe befindet sich ein Fahrstuhl bzw. Hebebühne. Ein Auto sowie sämtliche Fracht wird zunächst über die Laderampe auf die Hebebühne gefahren und dann nach unten in den Laderaum abgesenkt. Dort kann die Fracht von Gabelstaplern übernommen werden und die Autos in den Frachtraum einfahren.
Die junge Mitarbeiterin fragt zunächst nach meinem Zielhafen und danach bei allen weiteren Autos. Dann wird die Reihenfolge der Verladung festgelegt. Auto für Auto verschwindet über dem Fahrstuhl im Schiffsbauch. Das Einweisen meines Busses in den Fahrstuhl würde jedem Sicherheitsbeauftragten die Haare zu Berge stehen lassen. Denn der Einweiser postiert sich mangels seitlichem Platz direkt vor dem Fahrzeug und lässt mich soweit vorfahren, bis er selbst kaum noch Platz zum stehen hat. Wahrscheinlich ist noch niemand vom Kupplungspedal gerutscht :-/
Das einzige, was ich jetzt noch tun muss, ist die Ausfahrt aus dem Fahrstuhl mit einer engen 90° Kurve. So bleibt das Fahrzeug stehen, denn alle weiteren Rangiermanöver übernehmen die Mitarbeiter von Hurtigruten. Nach der Schlüsselübergabe wird der Bus von allen Seiten fotografiert um eventuelle Schäden zu dokumentieren um dann zwischen Fracht und anderen Fahrzeugen abgestellt zu werden. Damit in den Häfen immer die richtigen Fahrzeuge vorn bei dem Fahrstuhl stehen, werden im Verlauf der Reise die Fahrzeuge im Schiffsinneren immer wieder umgeparkt.

Vom „Bildekk“, dem Autodeck 2 mache ich mich auf zu meiner Kabine auf Deck 5. Sie entspricht der Beschreibung und hat wie versprochen, eingeschränkte Sicht 🙂 Ich kann also neben einem Rettungsboot ein kleines Stück vom Horizont sehen 😀 Etwas enttäuscht bin ich vom Sanitärbereich, denn vor der recht engen Dusche hängt ein Duschvorhang. Ich muss ständig daran denken, an welchen Körpern der schon alles geklebt hat, – brrr.

Das Ablegemanöver in Trondheim geht so leise vor sich, dass ich es beinahe verpasse. Eine Wolkendecke hält alles im tiefen grau. Draußen auf dem Fjord bewegen sich mehrere Kriegsschiffe verschiedener Nationalitäten. Zusätzlich kreuzen kleine Autofähren unseren Weg. Kaum hatte die Finnmarken Fahrt aufgenommen, fange ich an zu knipsen. Das Gefühl, jetzt irgendetwas zu verpassen ist so stark, dass alles mögliche im Bild festgehalten wird. Erst im Laufe der weiteren Fahrt legt sich dieser Drang, was meinem Erholungswert wiederum sehr zuträglich ist. Als wir den Trondheimfjord verlassen haben baut sich vor uns eine dunkle Wolkenfront auf, die sich kurze Zeit später in einem heftigen Schneesturm entlädt. Der Wind bläst so heftig, dass ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten kann. Deshalb ist es besser ins warme Schiff zurückgehen.
Hier lädt der Panoramasalon zum Verweilen ein, – wenn man einen der weniger verschlissenen Sessel ergattern kann. Ich wollte es erst garnicht glauben, dass die Drehsessel so ausgeleiert sind und habe nach Einstellmöglichkeiten gesucht. Doch beim näheren hinsehen erkennt man schnell, dass die Finnmarken schon ein paar Jahre im Geschäft ist. Trotzdem stellt sich bei mir auf dem Schiff ein Gefühl von Gemütlichkeit ein. Das liegt vielleicht auch daran, dass es im Schiffsinneren wohl temperiert ist, während draußen ein eisiger Wind weht. Von Kapitän kommt zwischenzeitlich die Durchsage, dass wir wegen den schlechten Sichtverhältnissen den Stocksund nicht durchfahren und statt dessen auf die offene See ausweichen.

Die Etappe von Trondheim bis Rørvik soll die längste auf der ganzen Tour sein. Abends gegen 21 Uhr erreichen wir den Hafen von Rørvik. Hier liegt bereits die M/S Nordnorge am Kai. Nachdem die Finnmarken festgemacht hat, besteht die Gelegenheit für einen kurzen Landgang. Viele der Reisenden nutzen die Zeit um das andere Schiff zu besichtigen. Ich schaue mir dagegen das Ladegeschäft an, welches im Schein der Hafenbeleuchtung seinen eigenen Charme hat. Beim Blick in den Laderaum kann ich meinen Bus nicht entdecken. Weil er erst morgen Abend raus muss, parkt der wahrscheinlich in den Tiefen des Frachtraums.

Nach dem Ablegen mache ich noch einen Rundgang auf dem Umlaufdeck, das bei der Finnmarken eine Länge von 285 Meter hat. Dann geht’s auf die Kabine zur Nachtruhe.
Als wir gegen 1 Uhr in Brønnøysund anlegen, werde ich von den Geräuschen der Hydraulischen Ladeklappe geweckt. Nach einem kurzen Blick durchs Fenster, – ich kann immerhin den Kai sehen -, schlafe ich weiter. Allerdings nur eine gefühlte halbe Stunde. Dann erfolgt nämlich eine unüberhörbare Durchsage, dass draußen Nordlicht zu sehen sei. Da sitze ich ziemlich verschlafen auf der Bettkante und bin hin und her gerissen. Soll ich aufstehen, mich Winterfest anziehen und dann Deck? Ok, drei Minuten Später stehe ich dick angezogen mit der Kamera in der Hand auf dem Vorschiff und starre in den dunklen Nachthimmel. Der bleibt auch schwarz. Zur Kontrolle mache ich mit der Kamera bei hohen ISO Wert ein paar Kontrollaufnahmen. Die sind auf dem Kameramonitor auch schwarz. Also schnell wieder zurück ins warme Bett. Später auf dem Laptop kann ich in den Fotos doch einen leichten Grünstich erkennen. So hatte ich bereits das erste Nordlicht der Reise.

Einmal werde ich noch aus dem Schlaf gerissen als das Schiff im Sandnessjoen festmacht. Denn die hydraulische Höhenanpassung der Laderampe verursacht im Schiff, zumindest bei mir auf Deck 5, starke Geräusche.

Tag 4

Auf Nordkurs

Mein Frühstück nehme ich ab 7 Uhr ein und ich muss sagen dass es jedesmal ein Highlight der Reise ist, wenn währenddessen draußen die Landschaft vorbei zieht. Am Frühstücksbuffet wird Müllvermeidung groß geschrieben, denn alle Brotaufstriche, Zucker und Kaffeemilch werden lose angeboten. Die Menge der einzelnen Auslagen ist recht klein, ist aber etwas aufgebraucht wird es vom ständig anwesenden Küchenpersonal sofort wieder aufgefüllt. Die Auswahl war umfangreich, ansprechend, aber teilweise „speziell“, – und ich habe mein Rührei vermisst.

 

Jetzt schmeiße ich mich wieder in die dicken Klamotten und verbringe den Vormittag an Deck. Es gelingt mir Dank der „vorbeiziehenden“ Berge auch einen Sonnenaufgang im Bild festzuhalten. Bei dem traumhaften Wetter ist die Wirkung der nordischen Winterlandschaft noch intensiver. Vor uns taucht plötzlich ein anderes Postschiff auf. Es ist die südfahrende Trollfjord, die wir mit lauten Hupen begrüßen. In Ørnes legen wir gegen 9 Uhr an und ich versuche den kurzen Aufenthalt für ein paar Fotos zu nutzen. Als ich auf dem Weg zu kleinen Autofähre bin, ertönt das Schiffshorn. Mist, das Signal zur Abfahrt! In zügigen großen Schritten eile ich dem Schiff entgegen. Außer mir ist nur noch ein Paar zu sehen, das ebenfalls sehr schnell geht. Beinahe zeitgleich gehen wir an Bord. Erst später erfahre ich, dass nach den ertönen des Schiffshorn noch 10 Minuten Zeit sind. Meine Eile war also unnötig.

Beim Rundgang auf den oberen Decks komme ich auch an einer Besonderheit bei den Postschiffen vorbei. Die Finnmarken hat als einziges Schiff neben zwei Whirlpools einen Swimmingpool an Deck. Trotz der eisigen Temperaturen ist der Whirlpool besonders bei den britischen Passagieren sehr beliebt.

Während den ganzen Vormittag ein Wintermärchen an uns vorüberzieht, haben wir uns schließlich Bodø genähert. Hier legt die Finnmarken für 3 Stunden an und gibt den Passagieren damit Zeit für Landausflüge. Es gibt geführte Spaziergänge durch die Winterlandschaft, Ausflüge zum Saltstraumen der Seeadlern. Für mich ist dies Gelegenheit dem Endbahnhof der Nordlandbahn einen Besuch abzustatten. Die abgestellten Schlafwagen vermitteln einen kleinen Eindruck, wie es hoch oben auf dem Saltfjell aussehen muss. Hier fällt mir auch zum ersten Mal die dicke Eisschicht auf, die überall drüber gezogen ist. Egal ob Wiese, Gehweg oder Straße, überall ist es spiegelglatt. Die Reifen der meisten Fahrzeuge sind mit Spikes ausgerüstet, die sorgen auch auf Eis für den nötigen Grip. Aber wo das Eis schon weg ist fräsen die Spikes tiefe Spurrillen in den Fahrbahnbelag.

In einer Einkaufspassage hole ich mir einen Snack zum Kaffee und Blaubeermarmelade für Zuhause. Im Wlan Hotspot vor Pepes Pizza aktualisiere ich noch schnell die Wetterapp und Nordlichtvorhersage. Es soll heute Abend stark schneien, – mit starkem Nordlicht :-/
Zurück am Hafen überlege ich mir, noch ein wenig in der Sonne zu sitzen und ein Croissant zu knabbern. Dazu einen Kaffee aus der Thermosflasche, – Lecker. Wäre ich mal lieber gleich aufs Schiff gegangen! Kurz bevor ich die Gangway erreiche kommen mehrere Busse an, die mindestens 200 überwiegend britische Reisende entladen. Von da an gibt es kein Durchkommen auf dem Schiff. Weil die Kabinen noch nicht fertig sind, wird das Restaurant geöffnet. vermutlich sind sie Leidtragende der diversen Schiffsausfälle und wurden jetzt auf die Finnmarken umgebucht. Das Personal an der Rezeption leistet gute Arbeit und schafft es bis zum späten Nachmittag alle Reisenden in Kabinen unterzubringen. Trotzdem wird es für mich unheimlich schwer einen freien Platz zum Sitzen zu finden.
Vom Heck des Schiffes schaue ich mir deshalb lieber den Sonnenuntergang an. Die Fahrt über den Vestfjord verläuft unspektakulär. Solange es das Tageslicht noch zulässt halte ich (erfolglos) Ausschau nach Walen, danach finden ich als einzigen freien Platz einen Sessel direkt am Restauranteingang.

Der erste Hafen, den den Finnmarken auf den Lofoten anläuft ist der von Stamsund. Kleine rote und grüne Positionslichter weisen dem Steuermann den Weg zum Hafen, der vor einem großen Berg liegt. Über den dunklen Felswänden steht ein orange leuchtender Lichtschein, der mich irgendwie an den Schicksalsberg bei Herr der Ringe erinnert. Kurz nachdem die Finnmarken die Hafeneinfahrt durchfahren hat, werden die Schiffs-Scheinwerfer eingeschaltet. Jetzt ist die Felswand und das Hafenbecken hell erleuchtet und das Schiff kann zum Anlegen wenden.. Der Anleger von Stamsund bietet nur wenig Platz, aber umso interessanter ist das Ladegeschäft, denn es werden wieder viele Paletten mit Fracht ausgetauscht. Vor den Lagerhäusern warten mehrere Autos auf die Verladung ins Schiff. Der langwierige Beladungsvorgang ruft bei einigen Passagieren Unmut hervor, denn bei einer Verspätung müssen Sie länger auf ihren Trollfjord-Punsch warten.

Die Abfahrt verzögert sich nun doch um 20 Minuten und für mich steht jetzt die letzte Etappe nach Svolvaer an. Als wir Stamsund in nördlicher Richtung verlassen erkenne ich auch den Grund für das leuchten des „Schicksalsberg“: Die beleuchtete Skipiste des Lofoten Alpinsenter sorgt für den weithin sichtbaren Lichtkegel.
Irgendwo hinter Henningsvaer begegnen wir dem südfahrendem Postschiff. Mit den mittlerweile bekannten Signalen aus dem Schiffshorn begrüßen sich die Schiffe. Zusätzlich leuchten sich die Schiffen gegenseitig mit den kräftigen Suchscheinwerfern an. Bei absoluter Dunkelheit auf See ein tolles Schauspiel.

Allmählich wird es für mich Zeit das Auschecken vorzubereiten. Meine Kabine musste ich bereits um 12 Uhr bei der Ankunft in Bodø räumen. Das Gepäck konnte ich in der Zwischenzeit im Gepäckraum direkt neben der Rezeption unterbringen. Die Einfahrt nach Svolvaer lasse ich mir allerdings nicht entgehen. Die Trockengestelle an der Hafeneinfahrt sind mit Fisch gefüllt, – So etwas wollte ich ja hier auf den Lofoten unbedingt sehen. Laut Wetter App sollte in Svolvaer ab 21 Uhr Schneefall einsetzen und genau so ist es. Kaum haben wir angelegt fängt es an zu schneien.
Mit dem Auffinden des Fahrzeugdecks tue ich mich etwas schwer, sodass ich einen zweiten Anlauf von der Rezeption aus starten muss. Vor der schweren Stahltüre warten bereits mehrere Personen auf Einlass ins Autodeck. Als sich die Tür öffnet, sehe ich sofort meinen Bus. Er steht genau gegenüber der Laderampe und der Schlüssel liegt auf dem Scheibenwischer. Nachdem ich das Gepäck durch die Fahrertür gewuchtet habe, darf ich noch zwei Fotos machen um dann sofort in den Fahrstuhl zu fahren. Draußen auch noch schnell ein Foto, bevor der nächste Wagen raus will und dann runter vom Kai. Neben der Magic Ice Ausstellung parke ich an der Hauswand und starte die Standheizung. Draußen tobt mittlerweile ein kleiner Schneesturm.

Nach der Ausfahrt der Finnmarken mache ich mich auf, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Eigentlich stand ja Nordlicht auf meinem Plan, aber bei dem Schneetreiben kann ich das wohl vergessen. Während den Vorbereitungen hatte ich mir den Parkplatz an der Lofot Kathedrale ausgeguckt und ich bin froh als ich durch den Schnee die Kirche endlich sehe. Aber der Parkplatz ist mit meterhohen Schneebergen belegt und mittendrin ein Auto, – also weiter suchen. Die Fahrerei ist sehr anstrengend, denn zum einen ist es dunkel und im Schneetreiben beträgt die Sicht nur noch 10 Meter. Wegen der hohen Schneewälle links und rechts der Fahrbahn kann ich nur auf der Fahrbahn anhalten um mich zu orientieren. Rechts ranfahren ist unmöglich, zum Glück sind nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs. Weil weitere Plätze ebenfalls nicht anzufahren sind, fahre ich schließlich weiter bis nach Henningsvaer. Unterwegs muss ich anhalten und die Frontscheibe frei kratzen, denn der Schnee gefriert am Bus sofort. So intensiv habe ich Schneefall noch nicht erlebt. In Henningsvaer stelle ich mich auf den großen Platz direkt am Hafen, der im Sommer für Wohnmobile vorgehalten wird. In der Fischfabrik gegenüber wird offenbar noch gearbeitet, aber ich richte mich jetzt für die Nacht ein. Während ich versuche einzuschlafen, wird der Bus von Böen hin und her geschüttelt, begleitet vom Prasseln der Schneegraupel. Die Heizung läuft auf Stufe 3 durch und sorgt im Bus für angenehme Temperaturen.

Weiter auf Seite 2